ESD-Schutz für Testsysteme zum Testen von elektronischen Flachbaugruppen
ESD steht für den englischen Ausdruck „electrostatic discharge“, das heißt, Entladung von elektrischer Energie. Es ist eine Tatsache, dass beim Tragen eines Wollpullovers und entsprechender Reibung Spannungen bis zu 30.000 V entstehen können, die dann, wenn der Körper nicht entladen wurde, auf die Prüflinge überspringen und so Zerstörungen erzeugen können. Ich möchte aber nicht das Problem des ESD-Schutzes besprechen, sondern nur inwieweit es bei der Verwendung unserer Testsysteme gelöst wurde. Für den Rest meiner Erklärung setze ich natürlich einen Betriebs-ESD-Schutz voraus.
ESD ist seit den 1970er Jahren eine Grundidee zum Schutz von Elektroniken beginnend mit der CMOS-Serie 4000. Diese ICs hatten keinerlei Schutzdioden und waren daher sehr empfindlich gegenüber statischen Aufladungen, die dann auch die entsprechenden Zerstörungen zur Folge hatten. Der ESD-Schutz ist eine Sicherheitsphilosophie, welche nach entsprechender Nutzung vieles an Schäden bei der Herstellung und beim Handling, aber auch der Prüfung und später dem Einbau der Baugruppen vermeidet. Da der Verkauf dieser Produkte sehr aktiv getätigt wird, kann man diese Schutzeinrichtungen heute in fast 90-95 % aller Firmen finden, was sehr viel Geld gespart hat.
Wir mussten jedoch feststellen, dass viele Firmen gerade dann, wenn die Verantwortlichen für die Produktions nur über ein eingeschränktes elektronisches Wissen verfügten, Produktfehler und damit Qualitätsverlust dazu geführt haben, dass das Problem gar nicht untersucht wurde, sondern dass nach dem Motto „Viel hilft viel“ mit einer Unmenge an ESD-Vorrichtungen reagiert wurde. Es sei aber damit festgestellt, dass ein solides Fachwissen über diverse Bauelemente und die notwendigen Messgeräte und damit die Lösung für den ESD-Schutz angewendet werden sollten.
Da wir Hersteller von Rechner gesteuerten Testsystemen zum Testen von elektronischen Flachbaugruppen sind und Incircuit- und Funktionstest durchführen, ist diese Frage für uns durch viele unserer Kunden sehr relevant. Wir stellen nicht nur die Testsysteme, sondern auch die Adaptionen her und werden deshalb von vielen unserer Kunden und deren ESD-Verantwortlichen gelöchert, ob unsere Systeme denn mit Sicherheit den jeweiligen Vorschriften entsprechen und ob auch wirklich alles mögliche getan wurde, um ESD-Fehler zu vermeiden.
Die größten Fehler entstehen beim Handling der Baugruppen, das heißt, wenn die Baugruppen aus einem Behältnis genommen werden und in das Testgerät bzw. den Prüfadapter eingelegt werden. Es ist daher bereits notwendig, dass der ESD-Schutz für die Baugruppe bereits voll greift, nachdem sie gelötet wurde und ggf. auch bei einer Handbestückung von Trafos, Relais, Halbleitern oder großen Elkos. Dazu müssen die Tische, die Personen und auch die nachfolgende Transportkiste über Sicherheitsbänder geerdet worden sein. Wenn von dort aus die Transportkiste mit den bereits fertiggestellten Baugruppen zum Testsystem gebracht wurde, muss sichergestellt werden, dass das Behältnis (Transportkiste) mit einem leitfähigen Schutz versehen wird, damit beim Herausnehmen der Baugruppen keine statischen Ladungen entstehen können. Wenn dann der Prüfer noch mit einem Handgelenkschutz ausgestattet ist und das Testsystem bzw. der Prüfadapter auf Massepotential (sichere Entladung) programmiert ist, kann beim Einlegen der Baugruppe keine Ladung entstehen. Prüfadapter sind in den meisten Fällen, wenn es sich um Incircuit- und Funktionstest handelt, mit gefederten Kontaktstiften bestückt. Des Weiteren wird der Prüfling mit gefederten Fangstiften positioniert. Es ist empfehlenswert, dass während des Einlegevorgangs alle Stifte auf Massepotential programmiert sind, um so auch eine sichere Entladung zu haben. Von Kunden wird sehr oft verlangt, dass die Platten, die die gefederten Kontaktstifte tragen, auch leitfähig sein müssen. Das ist nach unserer Erfahrung nicht sinnvoll, da die Kontaktstifte und Fangstifte bereits auf sicherem Ladungspotential liegen und somit auf dem Material, das die Stifte hält, keinerlei Ladung entstehen kann. Es ist Voraussetzung, dass der Niederhalter, welcher den Prüfling in die Kontaktstifte drückt, in seinem Metallrahmen geerdet ist, so dass auch bei der Schließbewegung keinerlei statische Ladung entstehen kann. Um das mit absoluter Sicherheit nachzuweisen, ist es für die Zweifler immer noch von Vorteil, wenn Dummy-Prüflinge gehandelt werden, die mit einem elektrostatischen Messgerät (Elektrofeldmeter) überwacht werden, so dass später bei den Serienprodukten keinerlei Zerstörung auftreten kann. Ist dann der Prüfling über den Incircuittest getestet, der vollkommene Potentialfreiheit der Baugruppe erfordert, folgt in den meisten Fällen das Flashen oder Laden von Mikroprozessoren. Auch diese sind im entsprechenden Massepotential sicher vor Aufladungen. Der nachfolgende Funktionstest arbeitet bereits mit Massepotential, wie schon das Laden und Flashen. Daher ist eine Zerstörung durch statische Aufladung nicht mehr gegeben. Beim Incircuittest, gerade wenn Spulen oder Transformatoren getestet werden, besteht die Gefahr, durch die Gegen-EMK Pulse erzeugt werden, die mehrere tausend Volt haben können und zur Zerstörung des Prüflings und des Testsystems führen können. In diesem Fall müssen auf diesem Testzweig Suppressordioden mit etwa 100 V eingesetzt werden, so dass eine Hochspannungszerstörung durch Gegen-EMK nicht möglich ist. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ESD-Probleme. Wir lernen immer wieder, dass Bauteile, gerade ICs oder spezielle Mikroprozessoren aus dem asiatischen Raum, ohne Schutzdioden gefertigt werden, so dass bei den typischen 500 mV- oder 1 V-Messspannungen für die Bauteilmessung im Incircuittest diese ICs zerstört werden und das Problem fälschlicherweise auf ESD-Zerstörung zurückgeführt wird, was dann wieder eine Welle von ESD-Investitionen bringt, die keine Wirkung haben. Unsere Incircuittester-Generation, die seit 5 Jahren existiert, testet Widerstände, Kondensatoren, Induktivitäten sowie sensible Halbleiter mit einer Messspannung von max. 200 mV, was dann noch weitere Zerstörungen garantiert unterdrückt. Die ESD-Verantwortlichen in den Firmen müssen deshalb auch mit dem notwendigen Wissen über Halbleiter und Elektrogrundlagen ausgestattet sein, denn damit können sich viele Antworten automatisch ergeben und die Phobie vor ESD-Defekten reduziert sich auf ein praktisches Minimum. Wenn dann die elektronische Baugruppe, ob erfolgreich oder nicht erfolgreich getestet, dem Testsystem entnommen wird, ist wieder ein Handschutz nötig und der Aufnahmebehälter für das Produkt sollte nach wie vor mit Entladevorrichtung und ESD-Schutz genutzt werden.
Nachdem wir oftmals mit Baugruppen arbeiten, welche hohe Spannungen während des Funktionstests beinhalten, ist es von absoluter Notwendigkeit, nach dem Test einen Entladevorgang vorzunehmen, der bei den heutigen Testsystemen vorhanden ist und entsprechend genutzt werden sollte. Somit sind Restladungen auf dem Prüfling auf ein Minimum begrenzt und nachfolgende Zerstörungen werden so vermieden.
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© 25.05.2012